Pflegefinanzierung: „Keine Alternative zur Kapitaldeckung“
Gesundheitsminister Lauterbach will bis Ende Mai Vorschläge zur künftigen Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung präsentieren. In Berlin hat die „Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform“ derweil für mehr Kapitaldeckung als zusätzliche Finanzierungssäule geworben.
Die finanziellen Probleme der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) werden von Jahr zu Jahr größer. Wegen des demografiebedingt steigenden Pflegebedarfs und der ständigen gesetzlichen Leistungsausweitungen wachsen die Pflegekosten überproportional und können nicht mehr durch die Beitragseinnahmen gedeckt werden. In weniger als zwanzig Jahren hat sich der Beitragssatz der SPV fast verdoppelt. Selbst der während der Corona-Pandemie eingeführte Steuerzuschuss von jährlich einer Milliarde Euro reicht nicht mehr aus.
Es müssen also Lösungen her, um das wachsende Finanzloch der SPV künftig zu schließen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat noch bis Ende Mai Zeit, um Vorschläge für eine nachhaltige Pflegereform vorzulegen. Die Debatte darum kreist zumeist um stark steigende Beitragserhöhungen und zusätzliche Steuermilliarden. Zu kurz kommt: Beides löst die Finanzprobleme der SPV nicht dauerhaft. Es sind allenfalls kurzfristige und keine langfristigen Lösungen, die junge Generationen belasten und dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden.
Private Vorsorge stärken
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Kristine Lütke hält eine weitere Anpassung der Beitragssätze oder eine Subventionierung aus Bundesmitteln für ungeeignet. Bei der Diskussionsrunde der „Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform“ warb die studierte Gerontologin für den Ausbau der privaten Vorsorge als ergänzender Säule zur gesetzlichen Pflegeversicherung. „Ich sehe zum aktuellen Zeitpunkt keine Alternative zur Ergänzung der SPV durch zusätzliche Kapitaldeckung“, sagte die Politikerin, die auch Inhaberin eines Pflegeheims ist.
Gegen freiwillige Pflegevorsorge hat auch die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Maria Klein-Schmeink, nichts einzuwenden. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende sieht allerdings die Stabilisierung der SPV grundsätzlich als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie schlägt vor, die versicherungsfremden Leistungen aus Steuermitteln zu finanzieren. Gleichzeitig sieht sie die Gefahr, dass quasi im Gegenzug der Bundeszuschuss zur GKV von derzeit 14,5 Milliarden Euro gekürzt werden könnte.
Vorteil Kapitaldeckung
Im Vergleich zu umlagefinanzierten Systemen haben kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherungen einen zentralen Vorteil: Sie sind keinem demografischen Druck ausgesetzt. Das ist im Zuge unserer alternden Gesellschaft ein entscheidender Stabilitätsfaktor. Jeder Versicherte sorgt für seinen individuellen Pflegebedarf vor. Je früher, desto besser – ob privat oder im Kollektiv eines betrieblichen Vorsorgemodells.
Arbeitgeber plädieren für mehr Kapitaldeckung in der Sozialversicherung
„Über ständig steigende Beiträge oder Steuerzuschüsse das Sozialsystem zu finanzieren, wird nicht gehen“, lautet das Fazit von Alexander Gunkel, dem Mitglied der Geschäftsführung bei der BDA. Dafür spreche nicht nur das Gebot der Generationengerechtigkeit, sondern auch ökonomische Argumente. Schon heute liege Deutschland im OECD-Vergleich mit seiner Abgabenbelastung in der Spitzengruppe. Zusätzliche Steuermittel aus dem Haushalt seien keine Alternative. Viele andere Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz, die Verkehrswende oder die digitale Transformation stehen dazu in Konkurrenz und werden die öffentlichen Haushalte belasten.
Die Sozialabgabenquote wird ohne Reformen bis 2040 auf über 50 Prozent steigen. Die aktuelle Ausgestaltung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sei „in ihrer jetzigen Form langfristig nicht finanzierbar“ heißt es im aktuellen Tragfähigkeitsbericht des Finanzministeriums. Angesichts dieser Prognosen sieht Alexander Gunkel dringenden Handlungsbedarf. Für eine dauerhaft stabile und nachhaltige Finanzierung des Sozialstaats müsse die Politik neben wachstumsfördernden Maßnahmen und ausgabenbegrenzenden Strukturreformen in allen Sozialversicherungszweigen auch den Erhalt und die Stärkung der Kapitaldeckung in der Altersvorsorge sowie in der Kranken- und Pflegeversicherung fördern, lautet die Empfehlung von Gunkel an die Politik.
PKV-Verband präsentiert „Neuen Generationenvertrag“ für die Pflege
Die demografiefeste Finanzierung der Pflegeversicherung ist ein Hauptanliegen der „Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform“, ein Bündnis von gesellschaftspolitischen Akteuren aus der Wirtschaft und der Pflege, dem auch der PKV-Verband angehört. „Die Lasten des demografischen Wandels drohen unverhältnismäßig auf die kommende Generation verteilt zu werden. Dafür müssen wir Antworten finden“, beschrieb Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer beim Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB), das Ziel der Initiative und der Diskussionsveranstaltung.
Einen „Neuen Generationenvertrag für die Pflege" fordert der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV). Die Soziale Pflegeversicherung (SPV) habe in den letzten Jahren überproportional dazu beigetragen, dass Deutschland bei den Sozialabgaben die 40-Prozent-Schwelle überschritten habe, erläuterte Dr. Timm Genett, Geschäftsführer Politik. Eine Stabilisierung des Beitragssatzes zur gesamten Sozialversicherung sei ohne Reform in der SPV nicht möglich. Der „Neue Generationenvertrag“ sieht deshalb vor, den Beitragssatz zur SPV zu stabilisieren oder auch zu senken, indem die Leistungsausgaben weniger stark steigen als die Einnahmen. So könnte sich die jüngere Generation bei vergleichbarer finanzieller Gesamtbelastung zukünftig sogar mit einer Pflegezusatzversicherung eine vollständige Absicherung der Pflegekosten leisten. Download PKV-Konzept „Neuer Generationenvertrag für die Pflege" (PDF-Dokument, 414.7 KB)
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