Bewertung der Änderungsanträge zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG)
Die seit Anfang Mai vorliegenden Änderungsanträge zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) zielen darauf, die in dieser Legislaturperiode in den üblichen parlamentarischen Verfahren nicht zustande gekommene Pflegereform nunmehr in Teilen und unter großem Zeitdruck durchzusetzen:
- Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile durch Leistungszuschläge nach dem Vorbild des BMG-Arbeitsentwurfes vom März 2021.
- Einführung eines dauerhaften Steuerzuschusses und Erhöhung der Beiträge für Kinderlose als Gegenfinanzierung.
- Tarifliche Entlohnung als Voraussetzung der Zulassung von Pflegeeinrichtungen zur Versorgung.
Mit Blick auf die fortbestehenden massiven Einwände gegen die geplanten Leistungsausweitungen, ihre Gegenfinanzierung und den Tarifzwang sollte die Entscheidung über die Pflegereform auf die Zeit nach der Bundestagswahl vertagt werden. Es wäre völlig unangemessen, eine große Pflegereform in einem Schnellverfahren per Änderungsverfahren durchzudrücken. Der Gesetzgeber muss sich ausreichend Zeit für Beratungen nehmen.
- Die Begrenzung der Eigenanteile für stationär Pflegebedürftige ist mit Blick auf die demografische Entwicklung eine Leistungsausweitung ohne nachhaltige Finanzierungsperspektive. Bei der Gegenfinanzierung werden zudem frühere Pläne zur Entlastung der jüngeren Generation aufgegeben: Die Anhebung des Beitragszuschlags für Kinderlose wird nunmehr direkt durch die Leistungsausweitungen für die Älteren konsumiert, anstatt die Mittel für den Pflegevorsorgefonds zu erhöhen. Die Regelung vergrößert das Defizit an Generationengerechtigkeit im Umlageverfahren und wird infolge des demografischen Wandels einen weiteren Beitragssatzanstieg zur Folge haben.
- Die Einführung eines dauerhaften Steuerzuschusses zur Sozialen Pflegeversicherung wird zwar mit der Finanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen als einer versicherungsfremden Leistung formal korrekt begründet, dient aber in der gesamten Finanzierungskonstruktion nur dazu, einen kurzfristigen finanziellen Spielraum für die Leistungszuschläge bei den Eigenanteilen zu schaffen. Zudem wird die grundsätzlich sachgerechte Steuerfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen nicht konsequent umgesetzt, weil die pflegenden Angehörigen in der Privaten Pflegeversicherung ohne sachlichen Grund außen vor bleiben.
- Der Bedarf an professioneller Pflege wird weiter zunehmen und mit Blick auf die absehbar steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen nur über attraktive Arbeitsbedingungen und Gehälter zu decken sein. Die seit mehreren Jahren stark steigenden Gehälter im Pflegebereich zeigen, dass bundesgesetzliche Zwangsvorgaben einer Tarifbindung überflüssig sind.